Gewalt gegen Einsatzkräfte – Prävention, Ansprechpartner und Unterstützungsangebote für Betroffene

14. Dezember 2023
LFV Bayern StMI KUVB

Gemeinsame Informationen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration, des Landesfeuerwehrverbands Bayern e.V., der kommunalen Spitzenverbände und der Kommunalen Unfallversicherung Bayern

Die Thematik „Gewalt gegen Einsatzkräfte“ ist insbesondere seit den Geschehnissen in Berlin in der Silvesternacht 2022/2023 wieder verstärkt in den Blickpunkt gerückt. Wenn man die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik ansieht, ist die Situation in Bayern aber bei Weitem nicht mit Berlin vergleichbar – nach wie vor ist im Verhältnis zu den Einsatzzahlen nur ein geringer Anteil von Straftaten gegenüber Einsatzkräften der Feuerwehren zu verzeichnen (laut Polizeilicher Kriminalstatistik im Jahr 2022: 75 erfasste Straftaten zum Nachteil von Feuerwehrdienstleistenden bei rund 260.000 Feuerwehreinsätzen). Aber jeder einzelne verbale oder körperliche Angriff ist absolut unerträglich und inakzeptabel. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass die Feuerwehrmänner und -frauen bestmöglich geschützt und sicher sind, wenn sie in den Einsatz gehen.

Welche präventiven Maßnahmen können Einsatzkräfte ergreifen?

Zunächst gilt es, wachsam zu sein: Wurde schon in der Alarmierung über Gewaltbereitschaft oder besondere Einsatzlagen (z. B. Großveranstaltung) informiert? Sind Personen am Einsatzort alkoholisiert? Sind erste Anzeichen von Gewaltbereitschaft, z.B. aggressive (Körper-)Sprache erkennbar? Droht eine gefährliche Gruppendynamik? In diesen Fällen ist mit besonderer Vorsicht zu agieren. Auch die Umgebung sollte im Blick behalten werden, wo sich Angehörige und Schaulustige befinden.

Durch das eigene Verhalten können Einsatzkräfte Einfluss auf die Situation nehmen. So kann etwa eine klare, verständliche, bestimmte und höfliche Sprache und Körpersprache deeskalierend wirken. Auch sollten die Einsatzkräfte möglichst für Transparenz sorgen und ihre eigenen Maßnahmen und Verhaltensweisen bei Bedarf erklären (z.B. warum muss die Straße gesperrt werden? Wo gibt es eine Umleitung?).

Allerdings kann es unabhängig davon, wie sehr sich die Feuerwehrdienstleistenden bemühen, in Ausnahmesituationen zu Gewalt – verbal, durch Gesten oder gar körperlich – gegen Einsatzkräfte kommen. Der wichtigste Grundsatz ist dabei: Der Eigenschutz geht wie immer vor und ist im Einsatz zu beachten! Im Zweifel sollten sich die Feuerwehrdienstleistenden zurückziehen, die Polizei nachalarmieren und auf diese warten.
Ausführliche Informationen bietet die DGUV Information 205-027 „Prävention von und Umgang mit Übergriffen auf Einsatzkräfte der Rettungsdienste und der Feuerwehr“, abrufbar unter
https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/3321

 

Was ist zu tun, wenn es im Einsatz zu einer Beleidigung, Bedrohung oder einem körperlichen Angriff kam?

1. Immer: Meldung an Kommandant (bzw. Einsatzleitung) und Dokumentation

Erste Ansprechperson der betroffenen Einsatzkraft ist der Kommandant bzw. die Kommandantin bzw. die Führungskraft am Einsatzort. Diese sollen Meldungen der betroffenen Einsatzkräfte ernst nehmen und nicht verharmlosen.

Der Vorfall ist zu dokumentieren, z.B. unter Verwendung des Erfassungsbogens der DGUV, abrufbar unter https://publikationen.dguv.de/media/pdf/71/0d/7c/205-027-Erfassungsbogen.pdf. Eine zeitnahe und umfassende Dokumentation erleichtert alle eventuell nötigen späteren Schritte, wie die Erstattung einer Strafanzeige. Schon wenige Tage später wissen die Beteiligten vielleicht nicht mehr ganz genau, wie alles abgelaufen ist. Der oder die Betroffene merkt aber unter Umständen erst nach ein paar Tagen Folgeschäden oder entscheidet sich später für eine zivilrechtliche Klage. Dann ist es hilfreich, möglichst bald nach dem Vorfall eine Dokumentation aus der Sicht verschiedener Zeugen angefertigt zu haben.

Wird ärztliche Hilfe nach einem Übergriff benötigt, ist ein Durchgangsarzt aufsuchen. Es besteht die Verpflichtung, Übergriffe mit erkennbaren Verletzungen und Traumatisierungen als Arbeitsunfall im Verbandbuch einzutragen und der KUVB durch eine Unfallanzeige zu melden, wenn sich daraus eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als 3 Kalendertagen ergibt (https://kuvb.de/fileadmin/daten/dokumente/RFOE/Service/Unfallanzeigen/Unfallanzeige_AUV_2018.pdf). Diese kümmert sich dann um das weitere Vorgehen des Versicherungsfalles.

2. Immer: Information an die Gemeinde

Der Kommandant bzw. die Kommandantin hat die Gemeinde über den Vorfall zu informieren, die gegenüber ihren Feuerwehrdienstleistenden eine Fürsorgepflicht hat. Vor diesem Hintergrund dürfen die ehrenamtlich tätigen Feuerwehrleute darauf vertrauen, dass sich die Gemeinde schützend vor sie stellt, wenn sie sich im Einsatzdienst Beleidigung, Bedrohung oder Gewalt ausgesetzt sehen. Die Gemeinde unterstützt den oder die Betroffene bei der strafrechtlichen Anzeigenerstattung, die auch bei vergleichsweise weniger schlimmen Vorfällen konsequent erfolgen sollte, um eine Ahndung zu ermöglichen, eine hohe Dunkelziffer zu vermeiden und ein klares Signal zu senden, dass Übergriffe auf Einsatzkräfte nicht toleriert werden. Überdies sorgen die Gemeinden unter Heranziehung ihrer Rechtsschutzversicherung dafür, dass die Einsatzkräfte einen Kostenschutz für eine etwaige gerichtliche Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche erhalten.

3. Nachbetreuung je nach individuellem Bedarf

Verbale oder körperliche Gewalt zu erleben, wo man doch eigentlich helfen wollte, kann die Betroffenen verunsichern und auch noch einige Zeit nach dem Vorfall belasten. Die zur Fürsorge verpflichtete Gemeinde und der Kommandant bzw. die Kommandantin als direkte Ansprechpartner haben dafür zu sorgen, dass die Einsatzkraft je nach ihrem individuellen Bedarf wirksame Hilfe erhält. Das Gefühl, nicht alleine gelassen zu werden, ist für Betroffene nach einem Gewalterlebnis äußerst wichtig. Manchen hilft es, mit den eigenen Kameradinnen und Kameraden über das Erlebte zu sprechen. Anderen wiederum hilft ein Gespräch mit außenstehenden Dritten besser. In diesem Fall stehen mit dem lokalen Team der Psychosozialen Notfallversorgung für Einsatzkräfte (PSNV-E) vertrauensvolle und professionelle Ansprechpartner zur Verfügung, zu denen Gemeinde bzw. Kommandant den Kontakt vermitteln können.

Treten im Verlauf der nachfolgenden Zeit deutliche Signale einer Verhaltensänderung bei den betroffenen Einsatzkräften auf, ist unter Umständen eine erweiterte therapeutische Maßnahme notwendig. Die Führungskraft motiviert und unterstützt die betroffenen Einsatzkräfte, entsprechende Angebote anzunehmen. Bei Bedarf können sich betroffene Einsatzkräfte an die KUVB wenden und um Unterstützung nach Übergriffen bitten, wie z. B. im Rahmen eines Psychotherapeutenverfahrens.

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Aus: Florian Kommen, Nr. 138; die gesamte Ausgabe finden Sie hier zum Download.